Grabstein Franz und Maria Kreuz

Erinnerungsstätte Franz Kreuz

Erinnerungsstätte Franz Kreuz

  • Die Geschichte der Sinti und Roma – Von Verfolgung und Ausgrenzung geprägt

    Die Sinti und Roma stellen in Europa heute die größte Minderheit dar. Ihre Ursprünge sind nicht vollständig bekannt, allerdings geht man inzwischen davon aus, dass sie in Indien liegen. Vermutlich zwischen 800 und 1000 nach Christus wurden sie zur Auswanderung aus ihrer Heimat in Nordwestindien gezwungen. Auf dem Balkan, im Mittleren Osten und in Osteuropa ließen sich die ersten zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert nieder.

    In Europa wurden sie zunächst geduldet, relativ bald aber vor allem in Westeuropa ausgegrenzt. In der streng nach Zünften und Ständen gegliederten Gesellschaft des Mittelalters fanden sie keinen Anschluss und keine Wertschätzung. Durch die Ausgrenzung entstanden Vorurteile, die ab dem 15. Jahrhundert als Rechtfertigung für die Verfolgung und Vertreibung dienen sollten. Im 18. Jahrhundert versuchte man sie zu bürgerlichen Personen umzuformen und verbot ihnen unter anderem die Verwendung ihrer Sprache (Romanes). 

    Im Deutschen Reich wurden sie ab 1899 offiziell registriert und als Problem für die Gesellschaft betrachtet, weswegen man mit verschiedenen Maßnahmen gegen sie vorging. In Württemberg gab es ab 1905 ein „Verbot des Reisens in Horden“. Das Reise in einer Gruppe mit mehr als zwei Personen war damit schon strafbar.

    In der NS-Zeit wurden sie mit den Juden gleichgesetzt und wurden dadurch ebenfalls Opfer von Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung. Dazu wurde unter anderem auch auf die bereits vorhandenen Registrierungsakten zurückgegriffen, die nun ergänzt und fortgeführt wurden. Schrittweise wurden sie immer stärker in ihren Rechten eingeschränkt, so verloren sie ihre Staatsbürgerschaft, Ehen und die Ausübung ihrer Berufe wurden verboten und Zwangssterilisationen wurden durchgeführt. Die Rassenhygienische Forschungsstelle stellte in einem Gutachten die biologische Bedingtheit der „Asozialität“ von „Zigeunern“ fest, welche sich durch negatives Verhalten, wie betteln, Diebstahl und Betrug, zeigen würde. Aufgrund dieser angeblichen Erbkrankheit wurde 1938 ein Erlass „zur Bekämpfung der Ziegeunerplage“ verabschiedet. Ab 1940 wurde mit der massenhaften Deportation begonnen. Neben den unmenschlichen Lebensbedingungen in KZs und Ghettos waren sie auch Zwangsarbeit und teilweise Menschenversuchen ausgesetzt. Insgesamt wurden ca. 500.000 Sinti und Roma aus verschiedenen Ländern Europas ermordet. 

    Bei den Entschädigungsverfahren nach Kriegsende wurden sie nicht als Opfer des NS, sondern aufgrund ihrer angeblichen Kriminalität als nicht ganz zu Unrecht verfolgte Personen angesehen, weswegen sie häufig keine Entschädigungszahlungen erhielten. Auch weiterhin waren sie der Diskriminierung durch die breite Bevölkerung und dem vorurteilsbehafteten Verhalten von Justiz und Polizei ausgesetzt. Nach einigen Protestaktionen, wurde erst 1982 der Völkermord an den Sinti und Roma durch die Bundesregierung anerkannt. 

    Leider sind die Vorurteile bis heute noch nicht gänzlich aus der Gesellschaft verschwunden, weswegen Sinti und Roma immer noch von Diskriminierung betroffen sind. 

  • Ein kurzer geschichtlicher Überblick über die Sinti in Renningen

    In der Umgebung von Renningen zogen immer mal wieder Sinti als fahrende Händler vorbei. Sie stellten auch wiederholt ihre Wägen in der Gegend von Renningen auf, allerdings war ihr Aufenthalt nie von längerer Dauer, da sie von der örtlichen Bevölkerung und der Obrigkeit stets misstrauisch beäugt wurden. Man versuchte sie durch häufige Kontrollen, strenge Auflagen, Ausweisungen und andere Maßnahmen, so bald wie möglich zum Weiterzug zu bewegen. In jeden Fall sollte eine dauerhafte Niederlassung verhindert werden, da man die Gefahr sah, dass andernfalls weitere Familien/Personen beschließen könnten, sich dauerhaft hier niederzulassen. Man konnte später allerdings nicht gänzlich verhindern, dass sich Familien hier niederließen.

    In der NS-Zeit nahmen die Bemühungen diese Familien wieder loszuwerden an Fahrt auf. Anfang 1936 konnte man mit dem Wegzug von drei Familien auf Wanderschaft und dem Ankauf ihrer bisherigen Grundstücke durch die Gemeinde Renningen einen „Erfolg“ in diesen Bemühungen verbuchen. 1936 kam mit der Niederlassung der Familie von Adolf Reinhardt aber auch wieder eine Familie dazu. Allerdings war der Aufenthalt dieser Familie nicht von längerer Dauer, da sie 1939 flüchten musste. Nähere Informationen zum Schicksal und weiteren Weg dieser Familie können im Buch „Überwintern. Jugenderinnerungen eines schwäbischen Zigeuners“ von Lolo Reinhardt nachgelesen werden. Am 30. Juni 1938 kam der „Rasseforscher“ Dr. Adolf Würth bereits zum zweiten Mal (er war bereits am 03. März 1937 hier gewesen) nach Renningen, um die hier ansässigen Sinti zu erfassen. 1939 war die im Gewand Staig wohnhafte Familie Kreuz, die letzte noch in Renningen verbliebene Sinti-Familie. 1941 wurden in einem Gutachten von Dr. Robert Ritter, Leiter der Rassenhygienischen Forschungsstelle, die Rassediagnose: „Zigeuner“ für die Familie Kreuz gestellt. Der Vater von Franz Kreuz Christian Kreuz betrieb 1942 eine Altmaterialhandlung in Renningen, seine Geschwister Heinrich, Ludwig und Katharina waren zum Arbeitseinsatz bei verschiedenen Firmen verpflichtet worden. Eine Zeitzeugin beschrieb Christian Kreuz als stattlichen, stolzen Mann, der im Ort voll akzeptiert war und einen guten Leumund genoss. Alle ursprünglich in Renningen ansässigen Mitglieder der Familie Kreuz überlebten die Verfolgungsmaßnahmen und blieben in Renningen und Umgebung wohnhaft. 

  • Das Verfolgungsschicksal von Franz Kreuz

    Franz Kreuz, ein Angehöriger der Volksgruppe der Sinti, wurde am 07. Oktober 1912 in Neckarwestheim geboren. Die Familie war bereits an verschiedenen Orten wohnhaft gewesen, als er am 04. Februar 1928 gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern von Warmbronn nach Renningen (Stöckhof) zog. Dort half er zunächst im väterlichen Hausierhandel, ehe er später als Hilfsarbeiter für verschiedene Baufirmen tätig war. Als Angehöriger der Sinti hatte er nur sehr begrenzte Möglichkeiten Arbeit zu finden, unabhängig davon, dass er nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war.

    1938 arbeitete er bei einer Stuttgarter Straßenbaufirma in Horb am Neckar, wo er am 18. Juni 1938 an seinem Arbeitsplatz, gemeinsam mit weiteren Sinti, verhaftet und von dort in das Gerichtsgefängnis in Horb eingeliefert wurde. Grund der Verhaftung war, dass es in der Umgebung seines Arbeitsplatzes wiederholt zu Felddiebstählen gekommen war, wobei die dort beschäftigten Sinti in den Verdacht gerieten, für diese Diebstähle verantwortlich zu sein. Außerdem sollen sie häufiger der Arbeit ferngeblieben sein. Diese Anschuldigungen wurden nie weiter untersucht und der Verhaftung lagen offensichtlich rassistische Vorurteile aufgrund ihrer Abstammung zu Grunde. 

    Kurz nach seiner Verhaftung und Inhaftierung, wurde er am 27. Juni 1938 in das KZ Dachau eingeliefert. Von dort wurde er am 21. März 1939 in das KZ Mauthausen überstellt. Am 25. Februar 1943 wurde er in das Zweiglager Gusen überstellt. Hier war er vom 15. Mai 1943 bis 06. September 1943 einem Holzfällerkommando zugeteilt. Ab 07. September 1943 war er beim „Bahnhof Mayrhof“ und später in einem Kommando Kartoffelmiete tätig. Im Zweiglager Gusen wurde er schließlich am 06. Mai 1945 durch amerikanische Truppen befreit.

    Nach seiner Befreiung kehrte er am 22. Mai 1945 wieder nach Renningen zurück und lebte dort zunächst in der Baracke seiner Eltern. Nach seiner Hochzeit am 15. März 1947 in Renningen mit Maria, geb. Reinhardt, baute er sich eine eigene Baracke im Steinbruch am Kindelberg. 

    Beruflich war er während der milden Jahreszeit gemeinsam mit seiner Familie unterwegs und betrieb ein Hausierer- und Händlergewerbe. Mit Beginn der kalten Jahreszeit kehrten sie wieder zurück und blieben den Winter über in der Baracke. Zwischen Ende März 1953 und Ende Oktober 1959 arbeitete er, mit kurzen Unterbrechungen, für die Gemeinde Renningen als Arbeiter im Tief- und Wasserbau, anschließend bis zu seiner Rente bei verschiedene Firmen in Renningen. 

    Nach dem Krieg beantragte er auch Wiedergutmachung, wobei er immer wieder mit Diskriminierung, Vorurteilen und bürokratischen Hindernissen zu kämpfen hatte. Er starb am 23. Oktober 1965 im Krankenhaus in Sindelfingen. 

  • Eigene Aussage von Franz Kreuz im Rahmen seines Wiedergutmachungsverfahrens am 02.06.1953:

    „Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob ich Vollzigeuner bin oder Zigeuner-Mischling. Aber meines Wissens waren nicht nur meine beiden Eltern, sondern auch meine Großeltern und Urgroßeltern Zigeuner. 

    Ich habe die Volksschule besucht und kann schreiben und lesen. Beruf habe ich keinen erlernt, ich habe mit meinem Vater einen Handel betrieben. Ich habe erst 1947 geheiratet. Ich habe noch 4 Geschwister. 

    Zur Zeit meiner Verhaftung am 18.6.1938[1] hatte ich keine reguläre Unterkunft, ich bin mit der Fa. Kirchhoff im Straßenbau gewesen und habe jeweils an Ort und Stelle genächtigt. Vorbestraft war ich nicht. Ich habe ungefähr nur eine Woche bei der Fa. Kirchhoff gearbeitet und dann bin ich verhaftet worden. Ich bin vom Landjäger verhaftet worden. Ich kam dann in das Gefängnis in Horb. Einige Tage nach meiner Verhaftung wurden dann die Personalien festgestellt. Solange wir in Horb waren ist dann auch ein Forscher gekommen, der Untersuchungen an uns vorgenommen hat, Haare, Mund und Nase usw. wurden gemessen und untersucht. Gesagt wurde uns nichts. Meine Mutter, die damals noch in Renningen gewohnt hat, hat sich nach mir erkundigt und die Auskunft erhalten, dass uns nicht das Amtsgericht verhaftet habe, sondern die Geheime Staatspolizei. Ohne vernommen zu werden, bin ich dann 9 Tage nach der Verhaftung ins KZ Dachau verschubt worden. Im Frühjahr 1939 kam ich dann vom KZ Dachau nach Mauthausen, wo ich dann bis Mai 1945 geblieben bin. Vernommen wurde ich in der ganzen Zeit überhaupt nicht. 

    Von meiner Familie bin nur ich verhaftet worden, meine Geschwister sind nicht verhaftet worden, sie konnten den ganzen Krieg über ihre Arbeit verrichten, durften aber ihren Wohnort nicht verlassen. Auch meine Eltern sind nicht verhaftet worden, aber es ist mir bekannt, dass sie schon auf der Transportliste gestanden haben.

    Bei der Fa. Kirchhoff im Straßenbau waren 6 Zigeuner beschäftigt. Alle 6 Zigeuner sind am 18.06.1938[2] verhaftet worden. Es waren 3 jüngere und 3 ältere Zigeuner, ich war mit den jüngeren zusammen in Horb eingesperrt. Auf dem Transport nach Dachau habe ich noch andere Zigeuner aus Sulz und Rottweil getroffen. Auch Juden waren darunter. Es ist mir nicht bekannt, dass bei der Fa. Kirchhoff zu diesem Zeitpunkt auch Nicht-Zigeuner und Nicht-Juden verhaftet wurden.“


    [1] Im Originaltext: 18.7.1938 (scheint laut anderen Quellen aber bereits am 18.06. gewesen zu sein)

    [2] Siehe Fußnote 1

  • Quellen

    Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 350 I Bü 8202 „Wiedergutmachungsakte Franz Kreuz“

    Stadtarchiv Renningen, A 1.2 Renningen, R 3190 „Zigeuner“

    Stadtarchiv Renningen, A 1.2 Renningen, R 1289 „Aufenthalt der Zigeunerfamilie des Adolf Rosa Friedrich Reinhardt“

    Arolsen Archives: Häftlingskarte KZ Gusen (online eingesehen)

    Privatbesitz: Arbeitszeugnis Gemeinde Renningen

    Zeitzeugengespräch mit Frau A. G. (voller Name ist dem Archiv bekannt)

    https://www.gedenkstaetten-bw.de/geschichte-sinti-roma

    https://osteuropa.lpb-bw.de/sinti-roma-geschichte

  • Ergänzende Dokumente aus dem Stadtarchiv

  • Bilder

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